Wenn ich mir die Videos der Impfverweigerer und deren
Gesichter und Mimik anschaue, dann beame ich 50 Jahre zurück und erinnere mich
an unsere Demos für bezahlbaren Wohnraum, für die Streichung des §218, für Gleichberechtigung,
kostenlosen ÖPNV, ein anderes Schulsystem, und, und, und. Erinnere mich an das
hasserfüllte Kreischen vom Straßenrand: „Wenn es euch hier nicht passt, dann
geht doch rüber!“
Die Überschneidungen in Gestik, Mimik und Geschrei sind frappierend.
Was glaubt ihr, was das mit jemanden wie mir macht?
Ja, ich verstehe das Leid aufgrund der Pandemie der jungen
Leute. Ihre Angst um Zukunft, ihre Hilflosigkeit, ihre Wut über das Zerbrechen
von Karriereplänen, ihren Zorn über das Wegbrechen von bisher als
selbstverständlich angenommenen Freiheiten. Ich fühle ihre Frustration, ihre
Verzweiflung.
Aber, was macht diese ganze Scheiße mit einem älteren
Menschen wie mir? Glaubt ihr mit 65 hat man keine Zukunftspläne? Glaubt ihr,
ich habe mir meinen „Seniorenstatus“ so vorgestellt? Glaubt ihr, ich möchte
noch jahrelang, trotz Impfungen, im Zustand der Angst vor Atemlosigkeit und
einem Tod, den ich dann nicht mehr selbst gestalten kann, leben? Glaubt ihr, es
sei höchst motivierend, wenn einem nach fünfzig Jahren die gleiche Scheiße hoch
10 immer noch um die Ohren knallt? Ja klar, Resilienz habe ich bewiesen, mehr
als einmal. Aber vielleicht bin ich erschöpft, weil Alter halt doch etwas mit
einem macht. Vielleicht gehen meine körperlichen und seelischen
Widerstandskräfte gerade zur Neige. Vielleicht habe auch ich Angst?
Also, hören wir auf zu jammern. Was können wir tun, um das
Unerträgliche erträglich zu gestalten? Gemeinsam! Jung und Alt. Verdammt.
Danke, dass ich auch mal spontan nölen durfte. 😉