Deine Hände zittern. Dein Mund murmelt Bläschen kauend zahnlos
vor sich hin. Ab und an zuckt dein Bein, wie das eines kleinen Hündchens, im
Schlaf. Dein Atem geht schwer und zögerlich. Deine Augen, vom Sandmann
bestäubt, schauen blicklos zwischen den gefalteten Lidern hervor. Seit Stunden liege
ich neben dir. Dein Anblick ermüdet mich nicht. Immer noch nicht. Nach all den
Jahren, so vielen Jahren, kenne ich jede Regung, jeden Atemzug von dir. Bin ganz
bei dir, ahne jede Zuckung, jedes Räuspern, jeden Aussetzer schon im Voraus. Atme
mit dir. Du bist mir so nah. Hineinkriechen möchte ich in dich. Unsere Häute
miteinander vernähen, dich ausfüllen mit mir, mich durchdrungen fühlen von dir.
Streichelnd wandern meine Hände über deinen Körper, begrüßen jede Falte, jede Kuhle
wie alte Freunde. Halten inne, erinnern sich gemeinsam. Ich halte dich. Du hältst
mich. Auch wenn deine Arme keine Kraft mehr haben mich zu umschlingen, webst du
wie immer einen sicheren Kokon um mich. Flüsternd ziehe ich dich mit mir in
unsere Bilderwelt. Hauche Liebesworte, die unseren, sanft in dein Ohr. Singe
dir unsere Träume, unser Leben, unsere Hoffnungen. Halte dich. Halte dich.
Halte dich. Atme weiter für dich, wenn dein Atem nun schweigt. Lass dich gehen.
Nehm dich mit.
......................................................................Unsortiert, Verquert, Spontan, Geklaut, Verdaut und Ausgekotzt
Schönheit
Altern ist ein Prozess. Beginnt bei der Geburt. Weiß ich.
Dachte ich zu wissen. Hahaha, ich lach mich tot. (Also nicht wirklich.) Da ist
anscheinend noch ne Menge Luft für tieferes Verständnis, Akzeptanz und einem
freudig SichDreinGeben in mir. Im Augenblick
scheine ich eher in dieser Phase des „Sag mal Köper, spinnst du!“ verfangen zu
sein. Er weigert sich, mit allen Tricks und voller Tücke, brav zu machen, was
ich von ihm erwarte. Er zickt rum. Das kann ich ihm nicht durchgehen lassen.
Also mute ich ihm einfach das zu, was er vor Jahrzehnten locker im
Vorrübergehen gebracht hat. Ab und an lege ich sogar noch ne Schippe drauf. So
als Anregung. Aber, er kämpft mit harten Bandagen gegen diese Zumutungen. Wir
liegen quasi aktiv im Clinch miteinander. Er gewinnt. Absehbar. Das macht mich
wütend. Wie mein Verstand sich in diesem Gerangel positioniert? Der verkrümelt
sich mit nem Tässchen Tee, ner Kuscheldecke und Bücher über Körpersoziologie
aufs innere Sofa, grinst weise und lässt mich toben. Verräter! Ich könnt
kotzen! … Nein! Das gönne ich ihm nicht. Dem Körper. Und dem anderen auch
nicht. *grummel
Never
„When I first found out how babies were born, I
couldn't believe
it. To think that my mother and father could do
such a thing.”
Then,
after a moment's reflection:
“My father-maybe: but my mother-never!”
(O'Donohue 1987)
Gevatter Tod
„… Der erste, der ihm begegnete, das war der liebe Gott.
Der wusste schon, was er auf dem Herzen hatte, und sprach zu ihm: "Armer
Mann, du dauerst mich, ich will dein Kind aus der Taufe heben, will für es
sorgen und es glücklich machen auf Erden." Der Mann sprach: "Wer bist
du?" - "Ich bin der liebe Gott." - "So begehr' ich dich
nicht zu Gevatter," sagte der Mann, "du gibst dem Reichen und lässest
den Armen hungern." Also wendete er sich von dem Herrn und ging weiter. Da
trat der Teufel zu ihm und sprach: "Was suchst du? Willst du mich zum
Paten deines Kindes nehmen, so will ich ihm Gold die Hülle und Fülle und alle
Lust der Welt dazu geben." Der Mann fragte: "Wer bist du?" -
"Ich bin der Teufel." - "So begehr' ich dich nicht zu
Gevatter," sprach der Mann, "du betrügst und verführst die
Menschen." Er ging weiter; da kam der dürrbeinige Tod auf ihn
zugeschritten und sprach: "Nimm mich zu Gevatter." Der Mann fragte:
"Wer bist du?" - "Ich bin der Tod, der alle gleichmacht."
Da sprach der Mann: "Du bist der Rechte, du holst den Reichen wie den
Armen ohne Unterschied, du sollst mein Gevattersmann sein. …"
(Aus „Der Gevatter Tod“, ein Märchen der Brüder Grimm)
Endlichkeiten
Das sich langsam einschleichende Bewusstsein für die
Endlichkeit eines jedweden Daseins, also auch des meinigen, versetzt mich immer
mehr in Widerspruch zu den mich umflutenden absurd verlogenen
Heilsversprechungen einer Gesellschaft, die mit eilender Hast und nicht
sättigender maßloser Prasserei mein Alter und meinen künftigen Tod bis zur
Bedeutungslosigkeit zu übermalen versucht. Diesem übergriffigen Enteignungsversuch
des mir ganz und gar Eigenen werde ich mich bis zum letzten Handkuss des
Gevatters mit Lust und lachendem Gemüt standhaft widersetzen.
Lockende Stille
Es fällt mir mit zunehmendem Alter schwerer, die Dinge
beim Namen zu nennen. Nicht, weil ich ihre Namen nicht wüsste, sondern weil ich
sie schon so oft wiederholt habe. Die Quelle in mir, die mich all die
vergangenen Jahrzehnte ermutigt hat, wieder und wieder geduldig die gleichen
Sachverhalte aufzuzeigen, zu erklären, zu deuten, gluckert an manchen Tagen nur
noch rinnsälig vor sich hin. Es kostet mich heute mehr Kraft als früher den
zukunftstragenden Sinn hinter meinem Engagement zu erkennen und ihn als
Motivationsbeschleuniger anzuzapfen. Es ermüdet, wenn man sieht, wie mühsam
Entwicklung bei den Menschen läuft, wie träge Erkenntnis sich verbreitet und
welchen depperten Abzweigungen und welchen erbärmlichen Rückschritten sich
Menschlichkeit tänzelnd weltweit hingibt.
Auf der anderen Seite beschimpfe ich mich dann des Öfteren
als anmaßend, lernte ich doch, dass man eigene Erfahrungen nicht eins zu eins
an die Nachkommenden weiter geben kann, sondern jeder Mensch seine eigenen
machen und selbstständige Schlüsse daraus ziehen können muss. Und dann schreibe
und rede ich wieder in der Hoffnung, hilfreich kleine Puzzleteile zum
eigenständigen Denken an die Hand geben zu können.
Jedoch ermüde ich schneller und lasse mich fallen in eine
Stille in mir, die ich als wohltuend und schützend empfinde. Nur das Lächeln
meiner kleinen Enkelin durchbricht diese Stille dann. Sie, mit ihren klugen
fragenden Augen. Dann weiß ich sofort, warum ich die Namen der Dinge auch noch hunderttausend
Mal wiederholen werde.
Zeitenwandel
„Bloß weil du älter bist als ich, hast du doch nicht
automatisch recht!“
„Obwohl ich älter bin als du, könnte ich in manchen Sachen
doch recht haben.“
Unruhestand?
"Doch wenn der Unruhestand zum
Imperativ wird, verlieren wir die Freiheit, einfach auf der Ofenbank zu sitzen
und die Zeit vorbeiziehen zu lassen. Wir verlieren das Recht auf eine Existenz
ohne Ziel und Zweck." (Anna Sauerbrey, Tagesspiegel, 4.4.2015)
Was für ein feiner Satz!
Leistung und Produktivität, lebenslanges Lernen, Senioren
Universität, Fitnesskurse für 60+, Ehrenamt und geringfüge Jobs bis ins hohe
Alter, und, und, und – klar, jede, jeder wie sie, wie er mag, kann und will.
Wahlfreiheit. Das Recht auf dies und das und jenes Tun oder eben NichtTun. Ohne
wirtschaftliche Zielsetzungen und Zwänge. Das wäre dem Alter angemessen. Jedem
Alter.
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